Zurück zum Inhalt

Zum Inhaltsverzeichnis springen

Ehe vor dem Aus: Und die Kinder?

Ehe vor dem Aus: Und die Kinder?

Ehe vor dem Aus: Und die Kinder?

EHEEXPERTEN meinten, sie wüssten es ganz genau. Ehepaaren, die gerade in einer Krise steckten, gaben sie den Rat: „Hauptsache, Sie sind glücklich!“, und fast im gleichen Atemzug: „Wegen der Kinder brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen. Kinder stecken viel weg. Sie kommen mit einer Scheidung besser zurecht als mit Eltern, die sich nicht vertragen.“

Von manchen der Experten, die einst ein Loblied auf die Scheidung sangen, hört man inzwischen andere Töne. Jetzt heißt es: „Scheidung ist Krieg. Keine der Parteien übersteht das unverwundet — auch die Kinder nicht.“

Die problemlose Scheidung: ein Mythos

Man könnte daraus eine erfolgreiche TV-Sitcom machen. Die Handlung? Mama und Papa lassen sich scheiden. Mama bekommt das Sorgerecht für die Kinder und heiratet einen Witwer, der auch Kinder hat. Woche für Woche stolpert die zusammengewürfelte Familie von einer grotesken Situation in die nächste und löst sämtliche Probleme mit Witz und Humor in jeweils genau 30 Minuten.

Dieser Stoff eignet sich vielleicht für eine Komödie. Im wirklichen Leben ist eine Scheidung allerdings alles andere als witzig. Im Gegenteil: Sie tut weh. „Bei einer Scheidung handelt es sich um einen Rechtsstreit“, schreibt M. Gary Neuman in seinem Buch Emotional Infidelity. „Ein Partner verklagt den anderen. In dem Moment, in dem Sie sich zu einer Scheidung entschließen, haben Sie nicht mehr selbst in der Hand, was mit Ihrem Kind passiert, wie Ihre finanzielle Situation aussieht, und womöglich noch nicht einmal, wie sich Ihre Wohnsituation gestaltet. Vielleicht kommt es durch Mediation zu einer einvernehmlichen Regelung — vielleicht aber auch nicht. Letztendlich könnte dann ein Ihnen völlig Fremder — Richter genannt — derjenige sein, der bestimmt, wie oft Sie Ihr Kind sehen und wie viel Ihnen von Ihrem Geld bleibt. Leider ist dieser Fremde nicht unbedingt Ihrer Meinung.“

Oft wird mit der Scheidung nur eine Problematik durch eine andere ersetzt. Angefangen von der Lebensgestaltung bis hin zur finanziellen Lage kann sich tatsächlich alles ändern — und das nicht unbedingt zum Besseren. Und nicht zuletzt hat eine Scheidung Auswirkungen auf die Kinder.

Die Folgen für Jugendliche

Eine Scheidung kann Kinder bis tief ins Innerste erschüttern. Manche meinen, ältere Kinder und Jugendliche würden sie besser verkraften. Schließlich, so die Argumentation, sind sie schon reifer und befinden sich sowieso im Ablösungsprozess von den Eltern. Experten weisen allerdings auf die Kehrseite der Medaille hin. Wie in Studien festgestellt wurde, können Jugendliche gerade wegen dieser Faktoren am härtesten von der Scheidung betroffen sein. * Dafür spricht Folgendes:

▪ Ein Jugendlicher auf dem Weg zum Erwachsenen ist hochgradig unsicher, vielleicht sogar noch unsicherer als ein Kind. Man darf sich von seinem Drang nach Selbstständigkeit nicht täuschen lassen. Wie nie zuvor braucht er das Gefühl, zu Hause einen sicheren Hafen zu haben.

▪ Gerade wenn ältere Kinder und Jugendliche anfangen, ernsthaftere Freundschaften zu schließen, wird ihnen durch die Scheidung der Eltern vermittelt, dass man Werten wie Vertrauen, Treue oder Liebe eher skeptisch gegenüberstehen sollte. Als Erwachsene gehen sie dann enge Bindungen womöglich gar nicht erst ein.

▪ Wenngleich es normal ist, dass Kinder aller Altersstufen ihren Schmerz abreagieren, tendieren ältere Kinder und Jugendliche eher zu den gefährlicheren Ausdrucksformen wie kriminelle Handlungen und Alkohol- oder Drogenkonsum.

Das soll nicht heißen, dass jugendliche Scheidungskinder zwangsläufig einen psychischen Schaden davontragen oder zum Scheitern verurteilt sind. Sie können es schaffen, insbesondere wenn sie zu beiden Eltern ein gutes Verhältnis haben. * Dennoch wäre es naiv, zu glauben, eine Scheidung sei stets „besser für die Kinder“ oder mache sämtlichen Spannungen zwischen den Partnern ein Ende. Manche merken, dass sie nach der Scheidung sogar erst recht mit ihrem „unmöglichen“ Partner klarkommen müssen und dass die Streitfragen (Stichwort: Unterhaltszahlungen oder Sorgerecht) noch viel brisanter geworden sind. Durch die Scheidung werden ihre familiären Probleme nicht gelöst — lediglich der Kampfplatz hat sich verlagert.

Eine dritte Option

Für alle, in deren Ehe es gerade kriselt und die mit dem Gedanken spielen, sich scheiden zu lassen, gibt es also zwingende Gründe, diesen Schritt noch einmal zu überdenken. Eine Scheidung ist kein Allheilmittel gegen Eheschmerz.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Man muss sich nicht einfach mit einer schlechten Ehe abfinden. Es gibt noch eine Alternative: Man kann an der Beziehung arbeiten, damit sie wieder besser funktioniert. Statt diese Idee vorschnell vom Tisch zu wischen, weil man meint, die eigene Ehe sei sowieso nicht mehr zu retten, sollte man sich folgende Fragen stellen:

▪ Was gefiel mir ganz am Anfang bei meinem Partner besonders? Sind seine guten Seiten nicht im Ansatz noch vorhanden? (Sprüche 31:10, 29).

▪ Könnten meine Gefühle nicht wieder zum Aufleben gebracht werden? (Hohes Lied 2:2; 4:7).

▪ Was kann ich tun, um die Empfehlungen von Seite 3 bis 9 umzusetzen, und zwar unabhängig davon, was mein Partner gemacht hat oder gerade macht? (Römer 12:18).

▪ Kann ich meinem Partner erklären (unter vier Augen oder schriftlich), wo genau ich mir eine Verbesserung in unserer Beziehung wünsche? (Hiob 10:1).

▪ Könnten wir uns mit einem erfahrenen Freund zusammensetzen und gemeinsam über realistische Ziele für unsere Ehe reden? (Sprüche 27:17).

In der Bibel steht: „Der Kluge achtet auf seine Schritte“ (Sprüche 14:15). Das trifft nicht nur zu, wenn man einen Partner sucht, sondern auch, wenn die Beziehung auf der Kippe steht und man überlegt, wie es weitergehen soll. In Wirklichkeit haben ja auch glückliche Familien Probleme (wie bereits auf Seite 9 erwähnt). Der Unterschied ist nur, dass sie anders damit umgehen.

Es ist wie bei einer langen Autoreise. Auf Schwierigkeiten wie schlechte Wetterverhältnisse, Staus und Verkehrshindernisse muss man einfach gefasst sein. Vielleicht verfährt man sich sogar. Was dann? Die Reise abbrechen oder aber einen Weg finden, die Hindernisse zu überwinden, und weiterfahren? An dem Tag, als man sein Jawort gab, hat man sich ebenfalls auf eine Reise gemacht, bei der von vornherein klar war, dass sie nicht reibungslos verlaufen würde. In der Bibel heißt es, dass „Verheiratete besonderen Belastungen ausgesetzt sein“ werden (1. Korinther 7:28, Hoffnung für alle). Die Frage ist nicht, ob in der Ehe Probleme auftauchen, sondern wie man ihnen begegnet. Kann man nicht doch einen Weg finden, die Hindernisse zu überwinden und die Ehe fortzusetzen? Und selbst wenn Ihre Situation scheinbar hoffnungslos verfahren ist, können Sie immer noch Hilfe suchen (Jakobus 5:14).

Gott hat die Ehe ins Leben gerufen

Da die Ehe ursprünglich von Gott stammt, darf man sie nicht auf die leichte Schulter nehmen (1. Mose 2:24). Wenn einem Eheprobleme unüberwindbar erscheinen, könnte man noch einmal die Punkte aus diesem Artikel durchdenken:

1. Versuchen, die Liebe, die man einst empfand, wieder aufleben zu lassen (Hohes Lied 8:6).

2. Festlegen, was man selbst tun will, damit es in der Ehe wieder besser läuft — und sich dann auch daran halten (Jakobus 1:22).

3. Dem Partner deutlich, aber respektvoll sagen — unter vier Augen oder schriftlich —, welche Verbesserungen man für nötig hält (Hiob 7:11).

4. Hilfe suchen. Man muss die Ehe nicht im Alleingang retten!

[Fußnoten]

^ Abs. 9 Auch wenn es in diesem Artikel vor allem um ältere Kinder und Jugendliche geht, hat eine Scheidung natürlich auch Auswirkungen auf kleinere Kinder. Mehr dazu findet man in den Erwachet!-Ausgaben vom 8. Dezember 1997, Seite 3—12, und vom 22. April 1991, Seite 3—11.

^ Abs. 13 Das ist zugegebenermaßen nicht immer möglich, vor allem wenn einer der Partner die Familie verlassen hat oder sich sonst wie eklatant unverantwortlich verhält oder sogar gefährlich ist (1. Timotheus 5:8).

[Kasten/Bild auf Seite 19]

„DIESES MAL MACHE ICH ES RICHTIG“

Wie Studien belegen, nimmt die Scheidungsrate bei Zweitehen zu, Drittehen scheitern sogar noch öfter. M. Gary Neuman nennt in seinem Buch Emotional Infidelity einen Grund dafür: „Wenn Sie in Ihrer ersten Ehe Schwierigkeiten haben, liegt das nicht nur daran, dass Sie sich für den falschen Partner entschieden haben. Es hat auch mit Ihnen zu tun. Schließlich haben Sie sich ja in diesen Menschen verliebt. Gemeinsam mit ihm haben Sie etwas erreicht oder nicht erreicht.“ Neuman kommt zu dem Schluss: „Es ist besser, am Partner festzuhalten und sich das Problem vom Hals zu schaffen, als sich den Partner vom Hals zu schaffen und am Problem festzuhalten.“

[Kasten auf Seite 21]

WENN DIE EHE BEENDET WIRD

Wie die Bibel einräumt, kann es aufgrund von außergewöhnlichen Umständen zu einer Scheidung kommen. * Was können Sie in diesem Fall tun, damit sich Ihr heranwachsendes Kind auf die neue familiäre Situation einstellen kann?

Den Jugendlichen über die Lage informieren. Am besten ist es, wenn Eltern gemeinsam ganz offen mit dem Kind reden. Machen Sie Ihrem Kind klar, dass die Entscheidung endgültig feststeht. Versichern Sie ihm, dass es keine Schuld an der Scheidung trägt und immer von Ihnen beiden geliebt werden wird.

Die Waffen niederlegen — der Krieg ist vorbei. Einige Eltern bekämpfen sich lange nach der Scheidung immer noch. Wie ein Psychologe es ausdrückt, „sind sie zwar auf dem Papier geschieden, bleiben sich aber in Feindschaft verbunden, weil sie es nicht geschafft haben, friedlich einen Waffenstillstand auszuhandeln“. Da die Eltern anscheinend ständig miteinander im Clinch liegen, bekommen die Kinder nicht nur weniger elterliche Aufmerksamkeit, sondern werden auch noch dazu ermutigt, Vater und Mutter gegeneinander auszuspielen. Ein Junge sagt zum Beispiel zu seiner Mutter: „Papa erlaubt mir, abends so lange wegzubleiben, wie ich will. Wieso du nicht?“ Da sie nicht möchte, dass ihr Sohn „zum Feind überläuft“, gibt sie nach.

Dem Jugendlichen gut zuhören. Ihr Kind könnte sich fragen: Werden meine Eltern irgendwann auch aufhören, mich zu lieben?“, oder: „Warum soll ich mich an Regeln halten, wenn es meine Eltern nicht tun?“ Um seine Ängste zu zerstreuen und verkehrtes Denken zu korrigieren, sollten Sie Ihrem Kind immer wieder Gelegenheit zum Reden geben. Aber Vorsicht: Sie dürfen die Rollen nicht tauschen und bei Ihrem Kind emotionalen Halt suchen. Ihr Kind ist ein Kind — nicht Ihre Vertrauensperson.

Beim Jugendlichen ein gutes Verhältnis zum Expartner fördern. Sie sind von Ihrem Partner geschieden worden, nicht aber Ihr Kind. Die Eltern bleiben die Eltern. Den Expartner schlechtzumachen schadet nur. Dazu das Buch Teens in Turmoil—A Path to Change for Parents, Adolescents, and Their Families: „Eltern, die die Kinder im Scheidungskrieg als Waffen benutzen, müssen damit rechnen, dass sie ernten, was sie säen.“

Gut für sich selbst sorgen. Manchmal werden Sie völlig am Boden sein. Bitte nicht aufgeben! Behalten Sie ein geregeltes Leben bei. Für Christen ist es wichtig, den Glauben auch weiter auszuleben. Das wird einem selbst und seinem Kind helfen, nicht aus dem Gleichgewicht zu kommen (Psalm 18:2; Matthäus 28:19, 20; Hebräer 10:24, 25).

[Fußnote]

^ Abs. 38 Nach der Bibel berechtigen nur sexuelle Beziehungen außerhalb der Ehe zu einer Auflösung der Ehe mit der Möglichkeit, wieder zu heiraten (Matthäus 19:9). Wenn es zu Untreue gekommen ist, entscheidet der unschuldige Partner, ob eine Scheidung die beste Option ist, und nicht Familienangehörige oder andere (Galater 6:5).

[Bild auf Seite 20]

Nach dem Jawort gilt es, fest zusammenzuhalten

[Bild auf Seite 21]

Wenn man sich das Sorgerecht teilt, ist es wichtig, dass das Kind auch ein gutes Verhältnis zum Expartner hat