Der zweite Brief an die Korinther 11:1-33

11  Ich wünschte, ihr würdet ein wenig Unvernunft von mir ertragen. Aber ihr ertragt mich ja auch.  Denn mit einer Eifersucht im Sinne Gottes bin ich euretwegen eifersüchtig. Ich habe euch nämlich persönlich einem einzigen Mann zur Ehe versprochen und will euch als reine Jungfrau dem Christus präsentieren.+  Ich fürchte jedoch, dass etwa so, wie die Schlange Eva durch ihre List verführte,+ euer Denken* verdorben wird und ihr die Aufrichtigkeit und Reinheit* verliert, die dem Christus gebühren.+  Denn wenn jemand kommt und einen anderen Jesus predigt als den, den wir gepredigt haben, oder wenn ihr einen anderen Geist empfangt als den, den ihr empfangen habt, oder eine andere gute Botschaft als die, die ihr angenommen habt,+ dann ertragt ihr ihn ohne Weiteres.  Ich bin der Meinung, dass ich euren superfeinen Aposteln in absolut nichts nachstehe.+  Auch wenn ich im Reden ungeübt bin,+ fehlt es mir nicht an Erkenntnis.+ Das haben wir euch ja in allem und auf jede Weise deutlich gemacht.  Oder habe ich eine Sünde begangen, weil ich euch kostenlos und gern die gute Botschaft Gottes verkündet habe+ und mich selbst erniedrigte, damit ihr erhöht werdet?  Andere Versammlungen habe ich beraubt, indem ich mich von ihnen unterstützen ließ, um euch zu dienen.+  Doch als ich bei euch war und in Not geriet, fiel ich niemandem zur Last, denn die Brüder, die aus Mazedọnien kamen, versorgten mich reichlich mit allem Nötigen.+ Ja, ich habe es in jeder Hinsicht vermieden, euch zur Last zu fallen, und so soll es auch bleiben.+ 10  So sicher, wie ich die Wahrheit von Christus in mir habe, werde ich nicht aufhören, mich deswegen in der Gegend von Achạia zu rühmen.+ 11  Warum? Etwa weil ich euch nicht liebe? Gott weiß, dass ich euch liebe.+ 12  Was ich jetzt tue, werde ich jedoch weiter tun,+ damit diejenigen keine Grundlage mehr haben, die in dem, womit sie prahlen, so dastehen wollen wie wir. 13  Denn solche Menschen sind falsche Apostel, betrügerische Arbeiter, die sich als Apostel von Christus ausgeben.+ 14  Das ist kein Wunder, denn Satan selbst gibt sich immer wieder als Engel des Lichts aus.+ 15  Es ist also nichts Besonderes, wenn sich auch seine Diener immer wieder als Diener der Gerechtigkeit ausgeben. Ihr Ende aber wird ihren Taten entsprechen.+ 16  Ich sage noch einmal: Niemand soll mich für unvernünftig halten. Wenn ihr es aber doch tut, dann akzeptiert mich als Unvernünftigen, damit auch ich mich ein wenig rühmen kann.+ 17  Was ich jetzt sage – ich folge dabei nicht dem Beispiel des Herrn, sondern rede wie ein Unvernünftiger –, das sage ich mit stolzer Selbstsicherheit. 18  Da sich viele aus rein menschlichen Gründen rühmen, will auch ich mich rühmen. 19  Ihr seid ja so „vernünftig“, dass ihr die Unvernünftigen gern ertragt. 20  Ja ihr ertragt jeden, der euch versklavt, der euren Besitz an sich reißt und verschlingt, der sich über euch erhebt und euch ins Gesicht schlägt. 21  Ich sage das zu unserer Unehre, da es so aussehen könnte, als wären wir schwach aufgetreten. Wenn aber andere kühn auftreten – ich rede jetzt wie ein Unvernünftiger –, dann trete ich ebenfalls kühn auf.+ 22  Sind sie Hebräer? Ich bin es auch.+ Sind sie Israeliten? Ich bin es auch. Sind sie Nachkommen Abrahams? Ich bin es auch.+ 23  Sind sie Diener von Christus? Ich antworte wie ein Wahnsinniger: Ich bin es noch viel mehr. Ich habe mehr Arbeit geleistet,+ war öfter im Gefängnis,+ wurde unzählige Male geschlagen und war oft dem Tod nahe.+ 24  Fünfmal erhielt ich von den Juden 40 Schläge weniger einen,+ 25  dreimal wurde ich mit Ruten geschlagen,+ einmal wurde ich gesteinigt,+ dreimal erlitt ich Schiffbruch,+ eine Nacht und einen Tag verbrachte ich auf offenem Meer. 26  Ich war oft auf Reisen, mir drohte Gefahr von Flüssen, von Räubern, von meinem eigenen Volk,+ von den anderen Völkern,+ ich war in der Stadt in Gefahr,+ in der Wildnis, auf dem Meer, unter falschen Brüdern. 27  Ich habe hart gearbeitet und mich abgemüht, konnte nachts oft nicht schlafen,+ litt Hunger und Durst,+ war häufig ohne Essen,+ ich war der Kälte ausgesetzt und hatte nicht genug Kleidung. 28  Zu diesen äußeren Umständen kommt noch, was Tag für Tag auf mich einstürmt*: die Sorge um alle Versammlungen.+ 29  Wer ist schwach und ich bin nicht schwach? Wer wird zum Stolpern gebracht und ich werde nicht wütend? 30  Wenn ich mich rühmen muss, dann will ich mich wegen der Dinge rühmen, durch die sich meine Schwachheit zeigt. 31  Der Gott und Vater des Herrn Jesus, er, der für immer gepriesen sein soll, weiß, dass ich nicht lüge. 32  In Damạskus bewachte der Statthalter unter König Arẹtas die Stadt der Damaszẹner, um mich zu ergreifen, 33  aber ich wurde in einem Korb durch ein Fenster in der Stadtmauer hinuntergelassen+ und entkam ihm.

Fußnoten

Oder „Keuschheit“.
Oder „Sinn“.
Oder „der tägliche Druck, der auf mir lastet“.

Studienanmerkungen

superfeinen Aposteln: Paulus gebraucht hier einen Ausdruck, der auch mit „Überapostel“ oder „Superapostel“ übersetzt werden könnte. Es handelt sich um eine eher sarkastische Bezeichnung für die eingebildeten Männer, die sich den von Jesus ernannten Aposteln überlegen fühlten. Paulus nennt sie „falsche Apostel“, denn in Wirklichkeit waren sie Diener des Teufels (2Ko 11:13-15). Sie lehrten ihre eigene gute Botschaft über Christus (2Ko 11:3, 4). Außerdem machten sie Paulus schlecht und zweifelten die Autorität an, die er von Gott als Apostel erhalten hatte.

ein wenig Unvernunft: Paulus wusste: Wenn er sich selbst rühmt, könnte ihm das als Unvernunft ausgelegt werden (2Ko 11:16). Doch im letzten Teil des 2. Korintherbriefs sah er sich gezwungen, sein Apostelamt zu verteidigen. (Interessanterweise gebraucht Paulus in 2Ko 11 und 12 acht Mal die griechischen Wörter áphrōn und aphrosýnē, die mit „Unvernunft“, „unvernünftig“, „Unvernünftiger“ wiedergegeben sind: 2Ko 11:1, 16, 17, 19, 21; 12:6, 11.) Die „superfeinen Apostel“ untergruben den Respekt vor ihm und seiner Art zu lehren. Da sich das schädlich auf die Versammlung auswirkte, musste Paulus seine ihm von Gott übertragene Autorität verteidigen (2Ko 10:10; 11:5, 16; siehe Anm. zu 2Ko 11:5). Unter diesen Umständen war sein Rühmen keineswegs unvernünftig.

Die Liebe ist nicht eifersüchtig: Das griechische Verb zēlóō drückt eine starke Emotion aus, die positiv oder negativ sein kann. Hier geht es um ein negatives Gefühl, das man gegenüber Personen empfindet, die man als Konkurrenz wahrnimmt oder die scheinbar im Vorteil sind, weshalb zēlóō im vorliegenden Vers mit „eifersüchtig sein“ wiedergegeben wird. Das entsprechende Substantiv zḗlos, das an mehreren Stellen mit „Eifersucht“ übersetzt wird, ist unter den „Auswirkungen der sündigen Natur“ in Gal 5:19-21 aufgeführt. So eine Eifersucht ist egoistisch und fördert keine Liebe, sondern Hass. Die christliche Liebe äußert sich nicht in einer unangemessenen Eifersucht, sondern vertraut anderen, hofft das Beste und handelt immer im Interesse anderer (1Ko 13:4-7). (Die positive Bedeutung des griechischen Verbs wird in der Anm. zu 2Ko 11:2 behandelt.)

mit einer Eifersucht im Sinne Gottes bin ich euretwegen eifersüchtig: Die mit „Eifersucht“ und „eifersüchtig“ wiedergegebenen Wörter bezeichnen in der Bibel starke Gefühlsregungen, die gut oder schlecht sein können. Hier geht es um den positiven Aspekt von Eifersucht, und zwar um großes persönliches Interesse an anderen, die man von Herzen liebt. So empfand Paulus für seine geistgesalbten Glaubensbrüder. Er verglich sie mit einer reinen Jungfrau, die einem einzigen Mann zur Ehe versprochen war, nämlich Jesus Christus. Paulus wachte eifersüchtig über die Versammlung, um sie vor glaubensschädigenden Einflüssen zu schützen. Die Brüder und Schwestern sollten für Christus makellos bleiben. Dementsprechend kann man aus der Formulierung „mit einer Eifersucht im Sinne Gottes“ (wtl. „mit Gottes Eifer“) schließen, dass Jehova nicht nur an seinen Dienern persönlich interessiert ist, sondern dass er sie aus Liebe auch vor Schaden schützen will. (Die Verwendung des Verbs in einem negativen Sinn wird in der Anm. zu 1Ko 13:4 behandelt.)

reine Jungfrau: Oder „keusche Jungfrau“. Die Braut Christi besteht aus 144 000 geistgesalbten Christen. Jeder von ihnen ist in dem Sinn jungfräulich, dass er sich von der Welt getrennt hält, ein moralisch einwandfreies Leben führt und sich an die unverfälschten biblischen Lehren hält (Off 14:1, 4; vgl. 1Ko 5:9-13; 6:15-20; Jak 4:4; 2Jo 8-11; Off 19:7, 8).

superfeinen Aposteln: Paulus gebraucht hier einen Ausdruck, der auch mit „Überapostel“ oder „Superapostel“ übersetzt werden könnte. Es handelt sich um eine eher sarkastische Bezeichnung für die eingebildeten Männer, die sich den von Jesus ernannten Aposteln überlegen fühlten. Paulus nennt sie „falsche Apostel“, denn in Wirklichkeit waren sie Diener des Teufels (2Ko 11:13-15). Sie lehrten ihre eigene gute Botschaft über Christus (2Ko 11:3, 4). Außerdem machten sie Paulus schlecht und zweifelten die Autorität an, die er von Gott als Apostel erhalten hatte.

Vergütung: Oder „Bezahlung“, „Lohn“. Der griechische Ausdruck bezieht sich hier auf die Bezahlung oder den Sold eines Soldaten. Ursprünglich könnten zu seiner Vergütung Essensrationen und andere Sachleistungen gehört haben. Die jüdischen Soldaten, die zu Johannes kamen, führten möglicherweise eine Art polizeiliche Aufsicht, besonders beim Einziehen von Zöllen oder Steuern. Vielleicht gab ihnen Johannes den Rat, sich mit ihrer Vergütung zufriedenzugeben, weil Soldaten oft nur einen niedrigen Sold bekamen und daher offensichtlich dazu neigten, durch Machtmissbrauch ihr Einkommen aufzubessern. Das griechische Wort kommt auch in 1Ko 9:7 in der Wendung „auf eigene Kosten“ vor. Paulus spricht dort von der Entlohnung, auf die ein „Soldat“ Christi Anspruch hat.

der Lohn, den die Sünde zahlt: Oder „der Lohn für die Sünde“. Das griechische Wort opsṓnion bedeutet wtl. „Sold“, „Lohn“. In Luk 3:14 (siehe Anm.) wird es für den Sold oder die Bezahlung eines Soldaten gebraucht. Hier wird von der Sünde als einem Herrn gesprochen, der einen Lohn auszahlt. Wer sündigt, verdient sich den Tod als „Lohn“. Ist der Lohn ausgezahlt, d. h., ist derjenige gestorben, wird ihm die Sünde nicht mehr angerechnet. Gäbe es nicht Jesu Opfer und Gottes Vorhaben, Tote aufzuerwecken, würde er nie wieder leben.

auf eigene Kosten: Wtl. „für eigenen Lohn (Sold)“. Paulus gebraucht hier einen griechischen Ausdruck, der sich auf die materielle Vergütung von Personen im Militärdienst bezieht. (Siehe Anm. zu Luk 3:14.) Hier verwendet er ihn im übertragenen Sinn, um zu zeigen, dass „Soldaten“ Christi, die sich voll einsetzen, eine bescheidene materielle Unterstützung verdienen.

beraubt: Das entsprechende griechische Verb syláō wird oft im Zusammenhang mit Kriegsbeute verwendet. Paulus hatte natürlich niemanden beraubt. Er wehrte sich lediglich mit diesem drastischen Wort gegen die Vorwürfe der „superfeinen Apostel“, die ihn beschuldigten, die Versammlung in Korinth auszunutzen (2Ko 11:5). Als er in Korinth „in Not geriet“, hatten ihm die Christen dort anscheinend nicht geholfen, obwohl offenbar einige von ihnen wohlhabend waren. Stattdessen hatten ihn ärmere Brüder aus Mazedonien unterstützt (2Ko 11:9). Im Vers davor sagt Paulus, dass es keine Sünde war, sich selbst zu erniedrigen – womit er wahrscheinlich auf die Arbeit als Zeltmacher anspielt, mit der er seinen Dienst finanzierte (2Ko 11:7). Wenn er schreibt, er habe andere Versammlungen „beraubt“, als er von ihnen finanzielle Unterstützung annahm, während er sich für die Korinther einsetzte, schwingt also offenbar ein ironischer Unterton mit.

unterstützen ließ: Im Griechischen steht hier das Wort opsṓnion, das wtl. „Sold“, „Lohn“ bedeutet. In Luk 3:14 (siehe Anm.) wird es für den Lohn eines Soldaten gebraucht. Hier verwendet Paulus es für die finanzielle Unterstützung, die er von einigen Versammlungen erhielt, während er in Korinth war. (Zu weiteren Stellen, an denen das griechische Wort vorkommt, siehe Anm. zu Rö 6:23; 1Ko 9:7.)

Gerechtigkeit: Siehe Worterklärungen.

aus rein menschlichen Gründen: Wtl. „nach dem Fleisch“. Gemeint sind die eigenen Umstände.

Hebräer … Israeliten … Nachkommen Abrahams: Paulus erläutert seine Abstammung. Womöglich tat er das, weil einige seiner Kritiker in Korinth mit ihrer jüdischen Herkunft prahlten. Zuerst bezeichnet er sich als Hebräer – vielleicht um damit seine familiäre Verbindung zu den Vorfahren der Juden hervorzuheben, zu denen auch Abraham und Moses gehörten (1Mo 14:13; 2Mo 2:11; Php 3:4, 5). Es könnte auch ein Hinweis darauf gewesen sein, dass er die hebräische Sprache beherrschte (Apg 21:40 bis 22:2; 26:14, 15). Als Nächstes bezeichnet er sich als Israelit, ein Ausdruck, der oft als Synonym für „Jude“ gebraucht wurde (Apg 13:16; Rö 9:3, 4). Dann sagt Paulus ausdrücklich von sich, er sei ein Nachkomme Abrahams. Als solcher gehörte er zu denen, die das Abraham versprochene Erbe erhalten sollten (1Mo 22:17, 18). Paulus selbst legte jedoch keinen besonderen Wert auf seine Abstammung und andere Äußerlichkeiten (Php 3:7, 8).

Nachkommen: Wtl. „Samen“. (Siehe Anh. A2.)

Ortsgerichte: In den Christlichen Griechischen Schriften ist mit dem Wort synédrion meistens der Sanhedrin gemeint, der Hohe Rat der Juden in Jerusalem. (Siehe Worterklärungen zu „Sanhedrin“ und Anm. zu Mat 5:22; 26:59.) synédrion war jedoch auch ein allgemeiner Begriff für eine Versammlung oder eine Zusammenkunft. In diesem Vers steht das Wort im Plural und bezieht sich auf Ortsgerichte, die den Synagogen angeschlossen waren. Sie waren befugt, Personen mit Auspeitschung oder mit dem Ausschluss aus der Synagoge zu bestrafen (Mat 23:34; Mar 13:9; Luk 21:12; Joh 9:22; 12:42; 16:2).

dreimal wurde ich mit Ruten geschlagen: In der Apostelgeschichte wird nur eine dieser drei Situationen erwähnt. Sie trug sich in Philippi zu, bevor Paulus den 2. Korintherbrief schrieb (Apg 16:22, 23). Später wurde Paulus in Jerusalem von den Juden geschlagen, wobei nicht gesagt wird, ob dabei Ruten gebraucht wurden (Apg 21:30-32). Das Schlagen mit Ruten war eine bei den Römern übliche Strafe. Da die Korinther in einer römischen Kolonie lebten, wussten sie, wie brutal solch eine Prügelstrafe war. Die erniedrigende Tortur begann damit, dass der Betroffene ausgezogen wurde. (Vgl. 1Th 2:2.) Römische Bürger wie Paulus durften eigentlich nicht mit Schlägen bestraft werden. Deshalb ließ er die Magistrate in Philippi wissen, dass sie seine Rechte verletzt hatten. (Siehe Anm. zu Apg 16:35, 37.)

von den Juden 40 Schläge weniger einen: Nach dem mosaischen Gesetz konnte ein Gesetzesübertreter mit Schlägen bestraft werden. Um ihn nicht zu entehren, durfte man ihm jedoch nicht mehr als 40 Schläge geben (5Mo 25:1-3). Traditionell lag die Höchststrafe bei 39 Schlägen, damit niemand versehentlich zu viele Schläge bekam. Dass Paulus die Höchststrafe erhielt, zeigt, wie schwerwiegend seine Vergehen aus Sicht der Juden waren. Wahrscheinlich erhielt Paulus diese Strafe in Synagogen oder den ihnen angegliederten Ortsgerichten. (Siehe Anm. zu Mat 10:17.) Nicht jüdische Instanzen hielten sich bei Prügelstrafen natürlich nicht an die Vorgaben im mosaischen Gesetz. (Siehe Anm. zu 2Ko 11:25.)

Amtsdiener: Das griechische Wort rhabdoúchos (wtl. „Rutenträger“) bezeichnete die offiziellen Begleiter der römischen Magistrate. Ihre Aufgabe war es, den Magistrat, dem sie unterstanden, in der Öffentlichkeit zu eskortieren und seine Befehle auszuführen. Auf Lateinisch wurden sie lictor genannt. Die Amtsdiener hatten ähnliche Pflichten wie heutige Polizisten. Allerdings waren sie eng an ihren Magistrat gebunden und mussten ihm ständig zur Verfügung stehen. Das Volk konnte sich nicht direkt an sie wenden, denn sie handelten nur im Auftrag ihres Magistrats.

dreimal wurde ich mit Ruten geschlagen: In der Apostelgeschichte wird nur eine dieser drei Situationen erwähnt. Sie trug sich in Philippi zu, bevor Paulus den 2. Korintherbrief schrieb (Apg 16:22, 23). Später wurde Paulus in Jerusalem von den Juden geschlagen, wobei nicht gesagt wird, ob dabei Ruten gebraucht wurden (Apg 21:30-32). Das Schlagen mit Ruten war eine bei den Römern übliche Strafe. Da die Korinther in einer römischen Kolonie lebten, wussten sie, wie brutal solch eine Prügelstrafe war. Die erniedrigende Tortur begann damit, dass der Betroffene ausgezogen wurde. (Vgl. 1Th 2:2.) Römische Bürger wie Paulus durften eigentlich nicht mit Schlägen bestraft werden. Deshalb ließ er die Magistrate in Philippi wissen, dass sie seine Rechte verletzt hatten. (Siehe Anm. zu Apg 16:35, 37.)

gesteinigt: Höchstwahrscheinlich bezieht sich Paulus hier auf den Vorfall in Lystra, von dem in Apg 14:19, 20 berichtet wird. Nach dem mosaischen Gesetz war Steinigen eine Hinrichtungsart (3Mo 20:2). Paulus wurde offenbar von einem aufgebrachten Pöbel bestehend aus fanatischen Juden und möglicherweise auch Nichtjuden gesteinigt. Sie hörten erst auf, als sie ihn für tot hielten. Diese brutale Behandlung hinterließ bei Paulus sicherlich dauerhafte Narben.

dreimal erlitt ich Schiffbruch: In der Bibel wird ein Schiffbruch, den Paulus erlitt, anschaulich beschrieben, allerdings ereignete er sich erst später (Apg 27:27-44). Paulus reiste oft auf dem Seeweg (Apg 13:4, 13; 14:25, 26; 16:11; 17:14, 15; 18:18-22). Es gab also viele Situationen, bei denen sich die erwähnten Schiffbrüche hätten ereignen können. Mit der Aussage „eine Nacht und einen Tag verbrachte ich auf offenem Meer [wtl. „in der Tiefe“]“ beschreibt er wahrscheinlich, was er nach einem solchen Schiffbruch durchmachte. Vielleicht klammerte er sich, von Wellen hin- und hergeworfen, an ein Wrackteil, bis er schließlich nach einer Nacht und einem Tag gerettet oder ans Ufer gespült wurde. Trotz allem ließ er sich nicht von Seereisen abhalten.

Römer: D. h. römische Staatsbürger. Paulus und offensichtlich auch Silas waren römische Staatsbürger. Nach römischem Recht hatte ein Bürger immer Anspruch auf ein ordentliches Gerichtsverfahren und durfte nicht ohne richterliches Urteil öffentlich bestraft werden. Die römische Staatsbürgerschaft brachte bestimmte Rechte und Privilegien mit sich, ganz gleich, wohin jemand im Römischen Reich reiste. Ein römischer Bürger unterstand dem römischen Recht, nicht den Gesetzen der Provinzstädte. Selbst wenn er bereit war, sich vor einem lokalen Gericht zu verantworten, blieb ihm immer noch das Recht, auch von einem römischen Gericht angehört zu werden. Ging es um eine sehr schwere Straftat, konnte er beim Kaiser Berufung einlegen. Der Apostel Paulus war als Prediger in weiten Teilen des Römischen Reiches unterwegs. Es sind drei Gelegenheiten dokumentiert, bei denen er seine Rechte als römischer Bürger geltend machte. Das erste Mal war hier in Philippi, als die Magistrate ihn auspeitschen ließen und er sie darauf aufmerksam machte, dass sie damit seine Rechte verletzt hatten. (Die beiden anderen Gelegenheiten werden in den Anm. zu Apg 22:25; 25:11 erläutert.)

Gefahr von Flüssen, von Räubern: Dasselbe griechische Wort für „Flüsse“ ist in Mat 7:25, 27 mit „Wassermassen“ wiedergegeben. In manchen Gegenden schwollen die Flüsse nach Regenfällen so stark an, dass sich Schluchten in lebensgefährliche, reißende Ströme verwandelten. Das war z. B. in Pisidien der Fall, das Paulus auf seiner ersten Missionsreise durchquerte. Das bergige Pisidien war auch für Räuberbanden berüchtigt. Paulus setzte sich solchen Gefahren nicht aus, weil er leichtsinnig war, sondern weil er sich in seinem Dienst auf Gottes Leitung verließ (Apg 13:2-4; 16:6-10; 21:19). Sein Wunsch, die gute Botschaft bekannt zu machen, war stärker als der Wunsch nach einem ruhigen, sicheren Leben. (Vgl. Rö 1:14-16; 1Th 2:8.)

sind dürftig bekleidet: Das entsprechende griechische Verb bedeutet wtl. „nackt sein“, doch in diesem Kontext ist damit gemeint, dürftig angezogen zu sein. (Siehe Anm. zu Mat 25:36.) Paulus stellt hier offenbar sein aufopferungsvolles Leben dem einiger Christen in Korinth gegenüber, die mit allem Möglichen prahlten, dabei aber ein vergleichsweise bequemes Leben führten (1Ko 4:8-10; vgl. 2Ko 11:5).

nicht genug Kleidung: Wtl. „in Nacktheit“. Das entsprechende griechische Wort gymnótēs kann „das Fehlen von passender oder richtiger Kleidung“ bedeuten. (Vgl. Jak 2:15, Fn.) Mit den Worten: „Ich war der Kälte ausgesetzt und hatte nicht genug Kleidung“, beschreibt Paulus Schwierigkeiten, die ihm mit Sicherheit in seinem Dienst und unter Verfolgung begegneten. Man kann sich gut vorstellen, wie er bei schlechtem Wetter durch kalte Gegenden reiste, in Gefängnissen fror, von Räubern überfallen wurde und durch eisige Flüsse watete. (Siehe Anm. zu 1Ko 4:11.)

seine Teile sich umeinander kümmern: Wtl. „die Glieder sollten umeinander besorgt sein“. Das hier verwendete griechische Verb merimnáō kommt auch in 1Ko 7:32 vor. Dort spricht Paulus davon, dass ein unverheirateter Christ „um die Angelegenheiten des Herrn besorgt [ist]“. (Siehe Anm. zu 1Ko 7:32.) Dasselbe Verb steht in 1Ko 7:33, wo es darum geht, dass ein Ehemann auf das Wohl seiner Frau bedacht ist. Paulus spricht außerdem von seiner „Sorge [griechisch mérimna, verwandt mit dem Verb merimnáō] um alle Versammlungen“ (2Ko 11:28). Er war sehr darum besorgt, dass alle bis zum Ende treue Jünger des Sohnes Gottes blieben. Paulus gebraucht merimnáō auch in Verbindung mit der Bereitschaft von Timotheus, sich um die Brüder in Philippi zu kümmern (Php 2:20). Im vorliegenden Vers wird durch das Verb die Intensität unterstrichen, mit der sich alle in der Christenversammlung umeinander kümmern sollten – ob es nun um ihren Glauben geht oder um ihre physischen und materiellen Bedürfnisse (1Ko 12:26, 27; Php 2:4).

Sorge: Das entsprechende griechische Wort mérimna kann auch mit „ängstliche Besorgnis“ übersetzt werden. Wie sehr Paulus seine Brüder am Herzen lagen, ist daran zu erkennen, dass er die Sorge um sie in einem Atemzug mit allen möglichen Gefahren und Widrigkeiten nennt (2Ko 11:23-27). Er hielt mit einer Reihe von Brüdern Kontakt, die ihm berichteten, wie es um den Glauben der Christen in den verschiedenen Versammlungen stand (2Ko 7:6, 7; Kol 4:7, 8; 2Ti 4:9-13). Paulus war sehr darum besorgt, dass jeder von ihnen Gott bis zum Ende treu blieb. (Siehe Anm. zu 1Ko 12:25, wo das dazugehörige Verb merimnáō in einem ähnlichen Sinn gebraucht wird.)

Jehova … soll gepriesen werden: Oder „Gesegnet sei Jehova …“. Dieser Ausdruck des Lobpreises kommt häufig in den Hebräischen Schriften vor und steht dort oft zusammen mit dem Gottesnamen (1Sa 25:32; 1Kö 1:48; 8:15; Ps 41:13; 72:18; 106:48; siehe Anh. C3, Einleitung, Luk 1:68).

er, der für immer gepriesen sein soll: Die griechische Grammatik an dieser Stelle lässt darauf schließen, dass derjenigen, der gepriesen sein soll, nicht „der Herr Jesus“ ist, sondern „der Gott und Vater“, Jehova. Ähnliche Ausdrücke des Lobpreises stehen in Luk 1:68 (siehe Anm.), Rö 1:25; 9:5, 2Ko 1:3, Eph 1:3 und 1Pe 1:3.

Bezirksherrscher: Wtl. „Tetrarch“ (bedeutet „Vierfürst“, „Herrscher über den vierten Teil [einer Provinz]“). Der Titel bezog sich auf einen unbedeutenderen Herrscher oder Landesfürsten, der nur mit Zustimmung Roms regierte. Die Tetrarchie von Herodes Antipas umfasste Galiläa und Peräa. (Vgl. Anm. zu Mar 6:14.)

der Statthalter: Wtl. „der Ethnarch (Volksherrscher)“. Das entsprechende griechische Wort ethnárchēs kommt in den Christlichen Griechischen Schriften nur hier vor. Es bezeichnet ein Amt unter dem Rang eines Königs, aber über dem eines Tetrarchen (Bezirksherrscher). (Siehe Anm. zu Mat 14:1.) Über die Jahrhunderte hatte das Wort allerdings verschiedene Bedeutungen. Der in diesem Vers genannte Statthalter von Damaskus war ein Repräsentant von König Aretas. Seine genauen Aufgaben und seine Herkunft sind jedoch unbekannt.

König Aretas: Aretas IV. war ein arabischer König und regierte von 9 v. u. Z. bis 40 u. Z. Seine Hauptstadt war die Nabatäerstadt Petra, südlich vom Toten Meer. Doch auch Damaskus lag in seinem Einflussbereich. Paulus beschreibt hier Ereignisse, die kurz nach seiner Bekehrung zum Christentum stattfanden. Gemäß der Apostelgeschichte „berieten sich die Juden, wie sie ihn umbringen könnten“ (Apg 9:17-25). Dagegen schreibt Paulus, dass der Statthalter von Damaskus (der Ethnarch unter König Aretas) plante, ihn zu ergreifen. Das ist kein Widerspruch. In einem Bibelkommentar heißt es dazu: „Die Juden lieferten den Grund, der Ethnarch das Militär.“

Korb: Lukas verwendet hier das griechische Wort sphyrís. Man findet es auch bei Matthäus und Markus in dem Bericht über die Begebenheit, als Jesus 4000 Männern zu essen gab und man die Reste in sieben Körbe einsammelte. (Siehe Anm. zu Mat 15:37.) sphyrís bezeichnet einen großen Korb. Als Paulus den Christen in Korinth seine Flucht schilderte, verwendete er das Wort sargánē, das einen aus Seilen geflochtenen Korb oder auch einen Weidenkorb beschreibt. Mit beiden griechischen Wörtern kann dieselbe Korbart gemeint sein (2Ko 11:32, 33, Anm.).

Korb: Oder „Weidenkorb“. Paulus gebraucht hier das griechische Wort sargánē, das einen Korb aus geflochtenen Seilen oder Zweigen beschreibt. Solche Körbe könnten dazu gedient haben, große Mengen Heu, Stroh oder Wolle zu transportieren. (Siehe Anm. zu Apg 9:25.)

durch ein Fenster: In Apg 9:25 heißt es bei der Beschreibung desselben Ereignisses wtl. „durch die Mauer“. Doch da im vorliegenden Vers von einem Fenster gesprochen wird, ist es berechtigt, den Text in Apg 9:25 mit „durch eine Öffnung in der Stadtmauer“ wiederzugeben. Einige vermuten, Paulus sei im Haus eines Christen, das zur Stadtmauer gehörte, durch ein Fenster hinuntergelassen worden.

Medien

Saulus in Damaskus
Saulus in Damaskus

Im 1. Jh. u. Z. sah der Grundriss von Damaskus wahrscheinlich in etwa so aus wie hier abgebildet. Damaskus war ein bedeutendes Handelszentrum. Der Fluss Barada (in 2Kö 5:12 „Abana“ genannt) machte das Umland zu einer regelrechten Oase. In der Stadt gab es etliche Synagogen. Saulus reiste nach Damaskus, um dort „alle, die zum Weg gehörten [gemeint sind Jesu Nachfolger] und die er aufspüren würde“, zu verhaften (Apg 9:2; 19:9, 23; 22:4; 24:22). Doch auf dem Weg dorthin erschien ihm der verherrlichte Jesus. Nach diesem Erlebnis wohnte Saulus eine Zeitlang in Damaskus bei einem gewissen Judas, dessen Haus sich in der Geraden Straße befand (Apg 9:11). Jesus erschien dem Jünger Ananias in einer Vision und schickte ihn zu Saulus, um dessen Sehkraft wiederher­zu­stellen. Danach ließ sich Saulus taufen. Statt also die jüdischen Christen einzusperren, wurde Saulus selbst einer von ihnen. Er begann seine Laufbahn als Prediger der guten Botschaft in den Synagogen von Damaskus. Im Anschluss an eine Reise nach Arabien und einem weiteren Aufenthalt in Damaskus kehrte er um das Jahr 36 u. Z. nach Jerusalem zurück (Apg 9:1-6, 19-22; Gal 1:16, 17).

(A) Damaskus

(1) Straße nach Jerusalem

(2) Gerade Straße

(3) Agora

(4) Jupitertempel

(5) Theater

(6) Theater für Musikveranstaltungen (?)

(B) Jerusalem

Von König Aretas IV. geprägte Münze
Von König Aretas IV. geprägte Münze

Diese Silbermünze (um 21 u. Z. geprägt) zeigt auf beiden Seiten den arabischen König Aretas IV. Solche Münzen trugen die Inschrift: „Aretas, König von Nabatäa, der sein Volk liebt“ (auf dem linken Bild teilweise zu sehen). Petra, die Hauptstadt des Königreiches Nabatäa, lag südlich des Toten Meeres im heutigen Jordanien. (Siehe Anh. B10, B13.) Aretas IV. regierte etwa zwischen 9 v. u. Z. und 40 u. Z. In der Bibel wird Aretas in Verbindung mit der frühen Predigt­tätigkeit von Paulus in Damaskus (ca. 34–36 u. Z.) erwähnt. Die Stadt gehörte damals offenbar zu seinem Einflussgebiet. Paulus schreibt nämlich in 2Ko 11:32, dass der Statthalter von Damaskus unter König Aretas diente. (Siehe Anm. zu 2Ko 11:32.) Im Lauf seiner Regierungszeit ließ Aretas große Mengen Silber- und Bronzemünzen prägen, von denen viele weit entfernt vom alten Nabatäa gefunden wurden. Sie sind archäologische Belege für die Existenz eines Königs namens Aretas zur Zeit von Paulus.

Petra – die Hauptstadt der Nabatäer
Petra – die Hauptstadt der Nabatäer

Die Fotos zeigen die Ruinen von Petra südlich vom Toten Meer (im heutigen Jordanien). Petra war die Hauptstadt des Nabatäerkönigs Aretas IV., der von etwa 9 v. u. Z. bis 40 u. Z. regierte. (Siehe Anh. B10 und B13.) Er wird in 2Ko 11:32 erwähnt. (Siehe Anm.) Damals war Petra bereits seit Jahrhunderten die Hauptstadt der Nabatäer, eines arabischen Stammes. Trotz ihrer abgeschiedenen Lage in der Wüste war die Stadt sehr wohlhabend und kam auch unter griechisch-römischen Einfluss. Davon zeugen noch heute ihre Ruinen. In einem Talkessel gelegen und von steilen Bergen umgeben, war Petra praktisch uneinnehmbar. Wohnungen, Grabmäler, Tempel und sogar ein Theater waren in das massive Gestein gehauen. Die rötlichen Sandsteinfelsen eigneten sich gut für diese außergewöhnliche Bauweise. Manche Gebäude hatten kunstvoll gearbeitete Fassaden. Um die Versorgung mit Wasser zu gewährleisten, sammelte man es zu Regenzeiten über ein besonderes System von Kanälen, Wasserbecken und Zisternen. Petras günstige Lage an Karawanenstraßen trug erheblich dazu bei, dass der Handel florierte und die Stadt immer wohlhabender wurde. Noch im 1. Jh. handelten die Einwohner mit Luxuswaren wie Weihrauch und Myrrhe.